2004 Ostern in Wendemark

Bärbel Würfel aus Wendemark radelt auf ihrem Drahtesel durchs Randowtal und fängt dabei interessante Erlebnisse in Wort und Bild ein. Sie selbst hält sich dadurch fit in Kopf und Körper. Unter der Rubrik „Omama auf dem Rad“ stellen wir hier ihre Tagebucheinträge vor.

Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser

ich bin eine Omama, deren Haltbarkeitsdaum langsam abläuft, die ihr Rentnerleben jedoch trotzdem mit sinnvoller Freizeitbeschäftigung ausfüllen will.
Damit möchte ich auch verhindern, dass mein Wohnort vom Rad der Geschichte überrollt wird und spätere Generationen mühsam in Archiven kramen müssen, um etwas aus der Vergangenheit zu erfahren.
Mein Wohnort ist Wendemark in der Uckermark, im Landkreis Prenzlau.
Wendemark wurde 1731 als königliches Vorwerk gegründet, ist 1974 in Passow eingemeindet worden und ist seit dem 19. April 2022 ein Wohnplatz im Ortsteil Passow in der Nationalparkstadt Schwedt/Oder.
Am 31.12.2021 fühlten sich 165 Menschen hier wohl.
Nun bin ich kein Dorfkind mehr, sondern eine Stadtfrau geworden.
Ich bin 1949, kurz nach meiner Geburt im Krankenhaus Angermünde, in Wendemark eingezogen und innerhalb von Wendemark bisher dreimal umgezogen. Die Vorfahren meiner Familie lebten seit 1900 hier.
Mein geistiger Horizont ist begrenzt, jedoch meine Heimatliebe geht darüber hinaus. Ab heute möchte ich Sie als stillen Begleiter auf meine Drahtesel- und Wandertouren in die nähere Umgebung von Wendemark mitnehmen.

Seit 2004 schreibe ich Geschichten auf, in denen ich versuche, meine Erlebnisse, Eindrücke und Erinnerungen mitzuteilen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie mich auf meine Touren begleiten.
Noch besser wäre es, wenn Sie sich das Randowtal und Umgebung mit Ihren eigenen Augen und scharfen Blick anschauen und meinen Drahteselspuren folgen würden.
Falls Ihnen meine Geschichten gefallen, sagen Sie es weiter bzw. teilen Sie den Link, wenn nicht, sagen Sie es bitte nur mir.
Nun bitte Helm aufsetzen, aufsteigen und ab geht’s über Stock und Stein, Berg und Tal.

Am 10.04.2004 wurde das 3. Osterfeuer entzündet.

Wetter: Erst trübe, dann sonnig

Zuerst drohte das Wetter, uns einen Strich durch die Rechnung zu machen. Dunkle Wolken trübten vormittags den Himmel. Aber am Nachmittag strahlte die Sonne, doch es war nicht sehr warm.
Das Osterfeuer war in diesem Jahr nicht so gut besucht wie in den Vorjahren. Vielleicht lag es daran, dass wir es in den anderen Gemeinden nicht bekannt gemacht hatten.
Abends funkelten die Sterne und es war empfindlich kalt. Gegen 23.00 Uhr waren nur noch ein paar Gäste anwesend. Besondere Zwischenfälle während und nach dem Osterfeuer wurden nicht bekannt.

Osterradtour 2004 am 11.04.2004

Wetter: Sonnig und milde

Der Ostersonntag am 11.04.2004 war ein herrlicher Frühlingstag.

Strahlender Sonnenschein und milde Temperaturen ließen Frühlingsgefühle aufkommen und lockten zu Aktivitäten in der freien Natur. Wir, mein Lebenskamerad und ich entschieden uns zu einer Radtour durch das Randowtal; auch wollten wir damit aktiv etwas gegen die Frühjahrsmüdigkeit tun.

Ich wollte auch schon immer mal einen Blick vom Rande des Schönower Waldes auf Wendemark richten. Den Blick von Wendemark auf den Schönower Wald haben wir ja täglich, aber obwohl ich schon mein ganzes Leben, bisher 55 Jahre, in Wendemark lebe, habe ich mein Dorf von dort noch nie gesehen. Nun wird es doch mal Zeit, dachte ich mir. Kurz nach dem Osterbraten wurden die Räder startklar gemacht.

Wir starteten in der Lindenallee 6. Nach etwa 300 m lag das weite, schon grünende Randowtal vor uns. Weit kann der Blick hier schweifen, das Randowtal wird im Südwesten von den Höhenzügen begrenzt, an deren Fuße sich Wendemark über 3 km lang erstreckt, im Osten wird es von den bewaldeten Höhenzügen begrenzt, in Richtung Norden ist der Blick sehr weit frei. Am Horizont in alle Himmelsrichtungen erblickt man die „Errungenschaften des 21. Jahrhunderts“ die Windkraftanlagen, die in den Jahren von 2001 bis jetzt entstanden sind.


>Foto Windfeld Briest>


Im Westen das „Briester Windfeld“ mit 5 Windkraftanlagen, das auch die Wendemarker Bürger ärgert, und im Norden ein Wald von Windrädern, über 30 Stück, an der Autobahn in Richtung Stettin, bei Schmölln. Wir fuhren weiter, zuerst quer über die Wiesen entlang der Bahnlinie Berlin-Stettin, der Bahndamm verhindert den Weitblick in Richtung Süden. Die Randow ist erreicht. Sie bildet die Grenze zwischen der Wendemarker und Schönower Gemarkung. Wir müssen über die Randowbrücke und dann weiter auf dem Bahndamm zum Schönower Wald fahren. Auf dem Bahndamm hat man nun einen weiten Blick auch über das Welsetal oder auch Welsebruch in Richtung Passow, Stendell bis Schwedt. Die Schornsteine des PCK schicken helle und dunkle Wolken in den Frühlingshimmel.

Die Randow mündet einige hundert Meter hinter der Brücke in die Welse. Und eine Eisenbahnlinie führt zum PCK Schwedt. Die Windräder in Heinersdorf sowie Frauenhagen und weitere in Richtung Angermünde sind gut sichtbar.

Auf der Schönower Wiese am Bahndamm weideten Rinder, die uns mit ihren gewaltigen Hörnern Respekt einflößten. Zumal vor ein paar Tagen in der Zeitung ein Bericht stand, dass Rinder eine Frau getötet haben. Die Kälber der Rinder sollten Ohrmarken bekommen, und als die Kälber eingefangen wurden, sah die Mutterkuh ihr Kalb in Gefahr und überrannte die Frau, die beim Einfangen half. Die Frau erlitt tödliche Verletzungen.


> Foto Rinder>



Wir quälten uns auf dem Rundweg zu den Schönower Eichbergen zur höchsten Stelle, zum Waldrand hinauf. Der ferne Anblick meines Heimatdorfes und ein weiter Rundumblick erfreuten mich sehr. Leider war der Fernblick etwas vom Frühlingsdunst getrübt.

Der Baggerpfuhl und der zweite Baggersee des Kieswerkes in Passow glänzten in der Sonne.
Wir trafen Schönower Spaziergänger, die erzählten uns, dass vor wenigen Tagen ein schwer verletzter Mann in der Nähe der Rinderweide gefunden wurde. Er war für die Betreuung der Rinderherde verantwortlich und wurde mit einem Schädelbruch und weiteren schweren Verletzungen am frühen Morgen gefunden. Wie er zu diesen Verletzungen kam, konnte man noch nicht sagen, da der Mann noch im Koma lag. Man vermutete einen eventuell geplanten Rinderdiebstahl oder eine Verstrickung im Zigarettenhandel. Es soll wohl schon vorgekommen sein, dass hier am Waldrand aus den Zügen, die von Stettin kommen, Zigarettenstangen geworfen werden, die dann von eingeweihten Bürgern eingesammelt und hier in Deutschland verkauft werden.

Mit etwas Grusel im Nacken setzten wir unsere Fahrt in Richtung Schönow fort. Wir überquerten den Eisenbahnübergang in Schönow und fuhren weiter durch den Wald.

Hier entdeckten wir an einem Baumstamm ein seltsames „Etwas“. Wendemarker sind ja von Geburt an neugierig, und die Sache musste natürlich untersucht werden. Erstaunt sah ich, wie eine tote Wildente zwischen zwei Ästen an dem Baumstamm hing. Wie wird diese wohl zu Tode gekommen sein? Selbstmord? Absturz nach des Jägers Treffer oder natürlicher Tod? Sie konnte es uns nicht mehr sagen.


>Foto Wildente>


Weiter ging die Fahrt zum Plattenweg, der von Blumberg zum Zichower Kastaniendreieck führt. Die quer verlegten Platten schüttelten uns tüchtig durch. Wir fuhren aber nicht bis zum Kastaniendreieck im Zichower Wald, sondern radelten an der neuen Randow (ehemaliger Mittelgraben) entlang, in Richtung Heimat.

Hier konnten wir die Arbeit des Bibers „bestaunen“. Bäume, die ca. 1990 gepflanzt wurden, hat er massenweise gefällt. Auf diesem Abschnitt waren es bestimmt über 100 Stück. Selbst an den alten, dicken Pappeln, die an der Randow stehen, hat er seine Zähne angesetzt. Späne so groß wie eine Handfläche lagen umher. Welche Kraft steckt in dem Gebiss von so einem kleinen Tier und wie schnell ist die mühsame Arbeit, die zum Wohle der Natur geleistet wurde, zerstört.

Mit diesen vielen Eindrücken im Kopf radelten wir nach Hause.

Das war für uns ungeübte Radfahrer eine Tour, die alle Glieder zum Schmerzen brachte.

Im Wald hatten wir den ehemaligen Revierförster des Schönower Waldes Herr Gebert aus Passow mit Sohn und dessen Familie nebst Hund getroffen. Auch sie nutzten das herrliche Wetter zur „Osterradtour“. Der Weg führte sie von Passow über Stendell und Jamikow nach Schönow und zurück durch Wendemark nach Passow. Die kleine Enkeltochter von Herrn Gebert (6 Jahre) legte die gesamte Strecke mit ihrem kleinen Fahrrad zurück. Angesichts meiner Schmerzen zog ich vor der Leistung dieses kleinen Mädchens den Hut, denn die Strecke der Fam. Gebert war ja noch um einige Kilometer länger als unsere.
Herr Gebert erzählte mir ein paar Tage später, dass nur der Hund ziemlich erledigt war, die Enkeltochter war begeistert von der Tour.


> Foto Ballon>


Der Ostermontag, 12.04.2004

Wetter: Trübe und kühl. Vormittags fiel ein leichter Nieselregen.

Ein seltsam rauschendes Geräusch wurde in kurzen Abständen hörbar und kam immer näher, ich wusste, dass ich so ein Geräusch schon mal gehört hatte. Nur fiel mich nicht gleich ein, wo und wann.

Nach kurzer Zeit lüftete sich das Geheimnis und über den Bergen hinter unserem Gehöft wurde ein Heißluftballon sichtbar. Es sah fast so aus, als ob er auf dem Berg landen wollte, aber ein erneutes Rauschen brachte den Ballon wieder höher, und er fuhr langsam weiter. Das Geräusch entstand immer dann, wenn der Gasbrenner am Ballon gezündet wurde.

Der Heißluftballon hatte die Werbeaufschrift der Biersorte „Warsteiner“. Das Wetter war für die Fahrt äußerst ungünstig, denn die herrliche Sicht auf unsere Gegend war nicht möglich. Die Mitfahrer waren bestimmt betrübt, denn der Fahrpreis ist ganz schön hoch, und man hatte sich sicher einen schönen Ausblick erhofft.
Man erzählte aber noch folgende Geschichte: Als der Ballon sehr niedrig über die Briester Milchviehanlage flog, riefen einige Beschäftigten den Ballonfahrern zu, sie sollten doch ein paar Büchsen Bier runter werfen. Die Ballonfahrer taten das auch prompt; nur leider landeten die Dosen in dem Gülleauffangbecken. Sie hatten dadurch eine „weiche Landung“, aber sind für immer in der Tiefe verschwunden. Es wurden bestimmt keine Güllebeckentieftaucher zur Bergung der Büchsen angefordert. Ob sie jemals wieder ans Tageslicht kommen, ist auch ungewiss.