Rentner ist ein schöner Beruf, nur die Lehrzeit dauert zu lange
Ach wenn ich erst Rentner wär…
Erlebt und aufgeschrieben von Bärbel Würfel 2017
In meinem „mittelalterlichen“ Leben, so Ende 40, sehnte ich mich schon oft nach der Rente. Wie schön würde das werden, wenn morgens um 5:00 Uhr der Wecker stumm bleibt. Der Tag beginnt dann, wenn meine innere Uhr das will. Die könnte ich auch bestimmt noch abschalten und ich stehe erst auf, wenn der Hunger oder andere menschliche Bedürfnisse das Aufstehen unaufschiebbar machen. In aller Ruhe am Frühstückstisch sitzen, ausgiebig die Tageszeitung lesen und keinen Gedanken an die Straßenverhältnisse verschwenden, weil man sich ja nicht mehr täglich in den Verkehrsstrom einreihen muss, wunderbar. Das wird ein Leben werden,
das Geld kommt pünktlich, wenn es auch nur an die Höhe der Altersarmutsgrenz reicht, jeden Tag Sonntag, Urlaub, so viel man will, Reisen, wohin man will und der Geldbeutel es zulässt, und jeden Tag Mittagsschlaf…, paradiesisch.
Doch mein Vater hatte immer diesen Spruch auf den Lippen: „Sehn dich nicht nach der Rente, es gibt nicht nur die Rente, sondern auch jedes Jahr schmerzende Alterszulagen.“ Das kann ich mit meinen Erfahrungen bestätigen, die ich in meinem bisherigen Rentnerleben, von 2011 – 2014 als Proberentner und dann als ordentlich gelernter Rentner, gesammelt habe. Zurzeit sage ich, das ist keine Rente, die ich bekomme, sondern Schmerzensgeld. Obwohl ich einiges tue, um mein Verfallsdatum zu verlängern, treten die Schmerzen in Gelenken und Gliedmaßen auf, von deren Existenz man in der Jugendzeit gar nicht ahnte, dass man sie hat. Der Kopf ist auch nicht mehr der, der er mal war. Zum Ende meines aktiven Arbeitslebens
musste ich mir schon oft eingestehen, dass meine Festplatte im Kopf wohl voll ist und neue Sachen keinen Speicherplatz mehr finden. Heute vermute ich, dass meine Festplatte schon von einem Virus befallen ist. Hoffentlich ist der heilbar und der Spruch, der mir aus meinen Kindertagen noch in Erinnerung ist, „dbd dhk P, dumm bleibt dumm, da helfen keine Pillen“, nicht angewendet werden muss.
Doch das ist noch keine Alzheimer, sondern erst Altersheimer. Die Stunden scheinen immer kürzer zu werden. An der Arbeit waren sie oft, besonders vor dem Feierabend, endlos lang. Jetzt verfliegen die Stunden so wie früher die Minuten.
Viele Wege muss man doppelt machen, weil man, wenn man durch die Tür gegangen ist, einfach vergessen hat, was man eigentlich holen wollte. Die Hausarbeit geht auch nicht mehr so schnell von der Hand, früher war man schnell auf den Knien und in der Hocke, um die Ecken zu reinigen, doch jetzt ist das ein umständliches Prozedere. Zum Glück sind die Augen auch nicht mehr so scharf und man sieht nicht jeden
Fussel, über den man sich aufregt. Im Garten lass ich das Unkraut einfach höher wachsen, dann brauch ich mich nicht mehr so tief zu bücken. Besser und hilfreicher wäre es noch, wenn ich das Unkraut einfach nicht mehr als lästig und störend, sondern als wunderschönes Beikraut betrachten würde. Dann hätte ich eine
vollkommen grüne Oase. Die Sicht auf die Dinge des täglichen Lebens ändert sich bestimmt immer mehr, wenn man erst im „metallenen“ Alter ist.
Das metallene Alter
Aber wann beginnt es? Hier meine Aufklärung:
Also, das metallene Alter beginnt, wenn man Silber im Haar, Gold und Amalgan im Mund,
Nickel auf der Nase, Edelstahl im Ohr, Titan in den Hüften und Knien sowie Blei in den Füßen
hat.
So wird man mit zunehmendem Alter durch die Ersatzteile auch immer „wertvoller“.
Ein Rentner gehört zu den Weisen; er muss nichts mehr beweisen.
Korrektur 10.09.17
Endlich steht er über allen Dingen, man kann ihn nicht mehr aus der Ruhe bringen. Und was er heute nicht geschafft, das macht er morgen, wenn die Sonne lacht. Auch morgen kann er es verschieben, ohne Frage, denn die Woche hat ja sieben Tage. Und wenn die Woche auch nicht reicht, wird’s im nächsten Monat was – vielleicht. Die Arbeit schiebt er, wie den Rentnerporsche (Rollator) vor sich her, doch bald reicht auch das ganze Jahr nicht mehr. Was er in diesem Jahre nicht geschafft, darüber er sich keine Sorgen macht. Der Rentner hat für sich entdeckt, was hinter diesem Motto steckt:
„Was du heut nicht kannst besorgen, das verschiebe ruhig auch auf morgen – oder auch auf übermorgen.“
Fazit: Genieße die Jugend, das Alter wird schrecklich.
Doch wenn die Jugend ihr Leben ohne viel Arbeit genießen will, haben die Alten oft was zu
meckern.
Hier noch eine kleine Episode. Leoni hat 2012 zum 5. Geburtstag Inlineskates bekommen. Voller Stolz berichtete sie das ihrer Oma. Die Oma erzählt ihr nun, dass sie vor einigen Jahren auch welche hatte und damit gestürzt ist und sich dabei tüchtig verletzt hatte. Danach hat sie sie wieder verschenkt.
Leoni sagte nun: „Oma, kauf dir doch wieder welche und ich zeige dir dann, wie man richtig damit fährt.“ Die Oma meinte darauf: „Ich bin jetzt schon zu alt dafür, ich bin ja schon eine Oma.“ Leoni entgegnete: „Aber, Oma, wenn du noch ein richtiger Mensch wärst und keine Oma, dann könnte ich dir das lernen.“
Dennoch glaube ich, dass meine Vorfahren in meinem Alter schon viel älter waren. Also, lasst uns das Rentnerleben genießen, solang die Uhr noch tickt – doch wie spät ist es eigentlich? Schon kurz vor zwölf? Ich kann es nicht genau erkennen. Raste nie, doch haste nie, sonst haste die Neurasthenie!