Winterwanderung am 26.02.2012 zur Mündung der Randow in die Welse
von Bärbel Würfel
Die Sonne lacht, der Tag ist schön, drum wird Bärbel heut‘ spazieren gehen. Bei +3 °C, strahlend blauem Himmel und mäßigem Nordwind beginnt meine Wanderung an der Bahnlinie Berlin–Stettin (Szczecin)
Mündung Randow in die Welse
Mein Ziel ist die Einmündung der Randow in die Welse. Ich habe mir vorgenommen, diese Mündung in den vier Jahreszeiten zu dokumentieren. Ob mir das aber im Sommer auch gelingt, wenn dort die Kühe wieder auf den Wiesen weiden und das Gras und die Brennnesseln auf den ungenutzten Flächen üppig wachsen, ist noch ungewiss.
Der eisige Dieter
Am 11.02.2012 war ich bei herrlichem Winterwetter schon einmal dort. Nach dem Hoch „Dieter“ und eiskalten Nächten, die Temperaturen fielen bis auf -23°C, war die Welse fast zugefroren, auch die Randow lag unter einer dicken Eisschicht. Die Welse hat eine höhere Fließgeschwindigkeit, dadurch war sie in der Mitte noch eisfrei.
Winterleben auf dem Kiessee
Heute fielen mir bei meiner Wanderung einige Zeilen aus dem „Osterspaziergang“ von Johann Wolfgang v. Goethe ein:
„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Goethe
durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
zog sich in raue Berge zurück.“
Aber bis Ostern, bis zum 08. April 2012, kann der Winter immer noch mal aus den rauen Schönower Bergen zurückkommen. Hoffentlich nicht! Heute blies ein unangenehmer Nordwind. Ich hätte doch die Ohren besser schützen sollen, aber nun kam die Erkenntnis zu spät.
Pack die Gummistiefel ein!
Die Eisenbahnlinie musste wieder überquert werden, das ist ja verboten, doch anders komme ich nicht zu meinem heutigen Ziel. Teilweise stehen die Wiesen unter Wasser, gut, dass ich in weiser Voraussicht die Gummistiefel angezogen habe.
Überschwemmte Wiesen im Welsetal
Verschiedene Vogelstimmen dringen an mein Ohr, schade, dass ich mich da nicht auskenne. So kann ich sie nicht identifizieren. Den Ruf der Meise erkenne ich. Die Stare? sind schon wieder da und flogen in einer großen Schar auf, als ich sie in ihrer Ruhe störte. Die werden auch gedacht haben: „Na, was kommt denn da für ein Zweibeiner ohne Flügel angetrottet und stört uns in unserer Rastpause.“
Vögel
Die Welse
Die Welse plätschert leise dahin, die Sonne spiegelt sich in dem Wasser der großen Pfützen, die vom Wind erzeugten vielen kleinen Wellen glänzen silbern. Einige Krähen, die hier wohl gute Nahrung fanden, fühlten sich durch mich gestört und erhoben sich schnell in die Luft mit lauten schwart, schwart Rufen. Da fällt mir folgende Geschichte aus meiner Kindheit ein:
In unserer Familie wurden die Kinder vieler Generationen mit folgender Geschichte zur „Reinlichkeit“ angehalten: Uns wurde erzählt, dass die Schwalben und die Krähen ganz genau erkennen können, ob man sich morgens gewaschen hatte oder ob man als kleiner Dreckspatz den neuen Morgen begrüßte. Wenn die Schwalben witt wiit, witt witt (weiß, weiß) riefen, war alles in Ordnung, sie hatten erkannt, dass man sich gewaschen hatte. Wehe aber, eine Krähe rief schwart, schwart (schwarz schwarz), dann bedeutete dies, man trat ungewaschen dem neuen Tag entgegen. Mein Vater spürte das mal am eigenen Leib: Er trat morgens auf den Hof, und eine Krähe rief laut schwart, schwart. Da lief er ganz entrüstet wieder zu seiner Mutter in die Küche und sagte heulend zu ihr: „Mama, ick häb mi doch wascht, aber de Kräch röpt doch schwart, schwart.“ (Mama ich hab mich doch gewaschen, aber die Krähe ruft doch schwarz, schwarz)
Umgekehrt soll es aber auch vorgekommen sein, dass die Schwalben witt witt gerufen haben, obwohl er sich nicht gewaschen hatte. Da freute er sich sehr, dass er die Schwalben überlistet hatte. Das erzählte er aber seiner Mutter nicht. Einen erzieherischen Effekt hatte diese Geschichte auch noch bei meinem Enkel, ob sie aber weiter überliefert wird, ist ungewiss. Nun aber wieder zurück in die Gegenwart:
Ein Traum von Amsterdam
Einige Enten, Gattung mir unbekannt, starteten schell bei meinem Anblick, doch ein Gänsepaar, das sich in einiger Entfernung niedergelassen hatte, fürchtete sich nicht vor mir. Der D-Zug von Prag nach Szczecin ließ etwas Fernweh in mir aufkommen. Es wäre bestimmt schön, mal wieder mit dem Zug zu fahren. Es fuhr ja mal ein Zug von Szczecin bis Amsterdam, es war mein Traum, mal mit diesem Zug von Angermünde bis Amsterdam zu reisen, doch es ist mir nicht gelungen, diesen Traum zu verwirklichen. Bevor ich das Reisegeld zusammen hatte, wurde diese Direktverbindung schon wieder gestrichen.
Enten, Gänse, Rinder
Zug Prag-Stettin
Auch auf dem Rückweg trieb mir der frische Nordwind das Wasser in die Augen und aus der Nase – wie unangenehm, wenn immer ein Tropfen unter der Nase hängt. Da hilft nur ein kräftiges Pusten, und schon verteilt sich der Tropfen im Wind in alle Himmelsrichtungen. Man muss nur darauf achten, dass man nicht gegen den Wind pustet. Doch es dauerte nicht lange, da hing dort schon wieder ein Tropfen unter der Nase und wartet auf die Verteilung. Ich hatte gehofft, auch schon Kraniche zu entdecken, denn heute Morgen hatte ich ihre Trompetenrufe schon aus der Richtung gehört. Leider gab es jetzt kein Lebenszeichen von ihnen.
Zwei Ölzüge rollten während meiner Wanderung an mir vorbei, wer weiß, welche Produkte des PCK sie geladen hatten.
Öl in Zügen
Die Beinahe-Katastrophe von Stendell
Da fällt mir ein, dass das Dorf Stendell am Ostermontag 2009 nur ganz knapp einer Katastrophe entging. An einer Eisenbahnbrücke mitten in der Ortschaft entgleisten am Ostermontag 2009 zwei voll beladene Kesselwagen, weil die Feststellbremsen nicht angezogen waren. 80 000 Liter Benzin liefen aus. 2011 wurde in der MOZ berichtet, dass für 2 Millionen Euro alles saniert werden soll. Es habe keine Verseuchung des Grundwassers gegeben. Ob es stimmt?
Unfall an der Brücke in Stendell (Fotos zur Verfügung gestellt von Lothar Schüler)
Es ist interessant, wie heute die Lokomotiven im 21. Jahrhundert gestaltet sind, viele bunte Farben lösten das einstige Schwarz der Dampflokomotiven oder das einheitliche Rot der DDR-Diesellokomotiven ab.
Diesellok, Dampflok
Die glasklare Luft ließ einen weiten Fernblick zu. Die Windkraftanlagen im gesamten Umkreis leuchteten hell in der Sonne, und der Wind ließ sie tüchtig rotieren, ich hörte es in den Kassen der Investoren klingeln.
Windpark bei Schmölln, Kiessee
Auf dem Passower Kiessee haben sich ganz viele Entenarten versammelt. Eine Weile beobachtete ich ihr ständiges Starten und Landen, aber auch sie fühlten sich durch meine Anwesenheit gestört und entfernten sich zum anderen Ufer. Vor ein paar Tagen war hier nur noch eine kleine Stelle, die nicht zugefroren war, und da herrschte ein dichtes Gedränge auf der freien Wasserfläche.
Nach fast 3 Stunden beendete ich meinen Sonntagsausflug, aufgeladen mit viel Sonnenenergie, das war nach all den trüben Wintertagen wieder Balsam für die Seele. Ich belohnte meinen heutigen Tatendrang mit einem extra großen Stück Kuchen. Mein schlechtes Gewissen konnte ich nicht so gut hören, weil der kalte Nordwind noch immer in meinen Ohren pfiff.