Mit Erinnerungen an die Vergangenheit,
Berichte über die Gegenwart und
Gedanken an die Zukunft
von Bärbel Würfel
Strahlender Sonnenschein und angenehme Temperaturen verführten mich an diesem Sonntagvormittag im August 2012 zu einer Radtour nach Briest, nicht zum Gottesdienstbesuch in der Kirche, sondern zum Verwandtschaftsbesuch. Ich wählte die kürzeste Strecke: den alten Kirchweg, den auch schon unsere Vorfahren zum Schulbesuch und Kirchgang nach Briest benutzt haben, denn das Vorwerk Wendemark, erbaut 1731, war in Briest „eingepfarrt“.
Meine Gedanken schweiften zurück in die Vergangenheit und beschäftigten sich mit dem, was ich in der Wendemarker Chronik und in der Briester Kirchenchronik gelesen hatte.
In der Wendemarker Chronik ist zum Schulbesuch in Briest folgendes vermerkt:
Wendemark gehört zur Pfarre Briest. Darum mussten die Kinder dorthin zur Schule gehen. 1810 waren es nur 6 Kinder.1839 waren es nach 10-jährigem Durchschnitt 12. Der Schulbesuch dieser Kinder war besonders im Winter mit großen Schwierigkeiten verknüpft. So war einige Jahre vorher das Kind eines Dreschers auf dem Rückweg von der Schule in der Kälte erstarrt und nur durch Zufall gerettet worden, aber dann, wie man glaubte, infolge der Erkältung gestorben. Ein verkrüppeltes Kind besuchte die Schule gar nicht und ein sehr schwächliches wurde von der Erzieherin des Amtmanns Engel unterrichtet. Oft blieben die Kinder ganz der Schule fern, sei es des Wetters wegen, sei es, dass sie zur Arbeit gebraucht wurden.
Infolge des immer schärfer werdenden Schulzwanges ergaben sich weitere Unzuträglichkeiten.
Die Eltern wurden von harten Schulsäumnisstrafen betroffen; wenn sie nicht zahlen konnten, kamen sie ins Gefängnis.Am 9. Juli 1842 erhob der Domänenpächter Engel gegen solche Maßnahmen Einspruch. Es sei unmöglich, dass, wenn in Briest die Schule morgens um 5 Uhr angehe und die Kinder schon um 3 Uhr aufstehen mussten, sie regelmäßig die Schule besuchen könnten.
Da die Eltern die Strafen für Schulversäumnis ihrer Kinder durchaus an Wochentagen absitzen sollten, käme die Gutsarbeit zu kurz, zumal Wendemark in diesem Jahre schon 6 Arbeitskräfte durch Todesfall verloren hätte.
Dazu muss man wissen, dass 1717 die Schulpflicht eingeführt wurde.
In der Briester Kirchenchronik, die der Pastor Bartelt 1930 geschrieben hat, kann man zum Kirchbesuch 1882 folgendes lesen:
Es werden regelmäßig Bibel- und Missionsstunden gehalten, die sehr zahlreich besucht werden. Die Passionsstunden sind mit gutem Erfolg abends bei erleuchteter Kirche gehalten; Katechisationen, an denen sich auch die konfirmierte Jugend fleißig beteiligt, werden mit denselben verbunden. Am 1. Weihnachtstag ist in Briest früh um 6 Uhr in erleuchteter Kirche Festgottesdienst. Auch findet in den Hauptfesten nachmittags noch ein Gottesdienst statt. Außerdem sind am Silvesterabend, Gründonnerstag und Karfreitag und im Filial Fredersdorf am Abend des Totenfestes sehr besuchte Abendgottesdienste üblich.“
Über die Gemeinden heißt es, dass sie die kirchlichsten der ganzen Diözese sind. Hier ist konstant ein sehr guter Kirchenbesuch; nur die Eingepfarrten aus Wendemark und Bahnhof Passow pflegen nur an den Festtagen sich einzufinden.
Die Kinder und Gutsarbeiter liefen den Weg nach Briest zu Fuß, und die Gutspächter benutzen sicherlich den Kutschwagen, später, als sich einige schon ein Fahrrad leisten konnten, sicherlich auch das. Doch als die Domäne 1932 zur Besiedelung freigegeben wurde, wurde oben im Anbau des Gutshauses ein Raum für die Kirche zur Verfügung gestellt. Nun kam der Pastor regelmäßig zum Gottesdienst nach Wendemark, und den Wendemarkern blieb der weite Weg nach Briest erspart.
1926 Gutshaus und Kornspeicher, Kutsche vom Amtsrat Paul Schreyer Kutscher Neuendorf
Bergauf, den gepflasterten Schulberg hinauf, musste ich das Rad schieben. Auf der Höhe angekommen, entschädigte mich ein ausschweifender Blick über das weite Randowtal für die Strapazen. Im April 2012 konnte ich diese Graskreise fotografieren. Wie sind die wohl entstanden?
Lindenallee Rostoskiweg Schulberg Graskreise
Prof. Otto Rostoski, geb. 1872 in Wendemark beschrieb Wendemark in seinen Erinnerungen so:
Wendemark ist oder war eine Staatsdomäne in der Uckermark, dem nördlichsten Teil der Provinz Brandenburg, der die Kreise Angermünde, Prenzlau und Templin umfasst. Man denkt bei der Mark Brandenburg immer an viel Sandboden („des heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse“). Wendemark hatte aber – soviel ich noch weiß – fruchtbare Felder und jedenfalls ausgedehnte schöne Wiesen, die von dem Flüsschen Randow begrenzt wurden. Der Name Uckermark kommt von der Ucker oder Ücker, welche bei Ückermünde in das Haff fließt.
Wenn man von Gramzow, einem Marktflecken, d.h. einem größeren Dorf, in dem Jahrmarkt abgehalten wurde, auf der Chaussee, die von Prenzlau kommt, nach der Bahnstation Passow geht, kommt man zuerst durch Zichow, damals mit Schloss und Park des Grafen Arnim. Ein Stück hinter Zichow geht rechts ein Feldweg nach Briest, einem Pfarrdorf, wohin meine Eltern immer zur Kirche fuhren, und links ein Feldweg nach Wendemark ab. Letzterer steigt zunächst etwas an. Auf der Höhe sah man dann Wendemark etwas tiefer liegen.
Den Ort bildeten die Gutsgebäude und zu deren beiden Seiten je einige nahe beieinander und auch nicht weit von den Gutsgebäuden gelegen zum Teil noch mit Stroh gedeckte Häuser. Alle Bewohner dieser Häuser waren auf dem Gut beschäftigt. Bauernwirtschaften gab es nicht.
In der linken Häusergruppe sah man einen aus roten Ziegeln erstellten und auch mit roten Ziegeln gedeckten Neubau, die Schule, in der auch der Lehrer sein Unterkommen hatte.
1926 Blick auf Wendemark, Ansichtskarte von 1901 Bahnhof Passow
Die Bahnstation Passow lag nicht weit vom Gut entfernt und war mit dem Fuhrwerk schnell zu erreichen. Das war wichtig, weil ein Zug die Milch des Gutes täglich nach Berlin mitnahm.
Im Übrigen war Passow ein Gut, das einem Herrn von Diringshofen gehörte, mit dem meine Eltern gut bekannt waren. Wir nannten Frau von Dirigshofen Tante Selly.
Der schon erwähnte Feldweg von der Chaussee Gramzow-Passow führte direkt auf den Gutshof und auf die eine Längstseite eines gepflasterten länglichen Vierecks mit dem Dunghaufen in der Mitte. Wenn man den Hof von diesem Feldweg betrat, sah man auf der Mitte der gegenüberliegenden Seite das Wohnhaus. Im übrigen war der Hof von den Ställen, den Scheunen, der Inspektorwohnung und einem Haus, in dem der Stellmacher arbeitete, umgeben. Ging man von dem Feldwege auf dem Hofe nach links, hatte man hinter der Schmalseite einen zweiten kleineren Hof, der von einem Schafstall begrenzt wurde. Auf ihm hatten Störche ihr Nest gebaut, die alle Jahre wiederkamen…..
Heute, am 26.08.2012, kann ich Wendemark von hier oben so beschreiben: Durch die hohen Bäume mit ihrer Belaubung hat man zu diesem Zeitpunkt auf den alten Ortskern keinen ungehinderten Blick mehr.
Wendemark liegt immer noch in der Uckermark, nur die Kreise Angermünde, Prenzlau und Templin gibt es seit der Kreisgebietsreform nicht mehr. Am 6. Dezember 1993 wurde der Landkreis Uckermark, bestehend aus den Altkreisen Angermünde, Prenzlau und Templin sowie der vormals kreisfreien Stadt Schwedt/Oder, aus der Taufe gehoben. Kreisstadt wurde Prenzlau.
Wendemark bis 1932
Die Grafen und Gutsbesitzer, die mehr als 100 Hektar landwirtschaftliche Fläche besaßen wurden im Herbst 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone enteignet. Es wurde eine Bodenreform durchgeführt. Die Ländereinen wurden an landarme Bauern und Landarbeiter aufgeteilt.
In Wendemark vollzog sich 1932 durch die Aufsiedelung der staatlichen Domäne schon die große „Wende“. Die von Otto Rostoski beschriebenen Ställe des Gutes wurden zu Siedlerstellen umgebaut und neue Siedlerstellen entstanden durch den Neubau von Siedlungshäusern entlang der Straße zum Bahnhof und in Richtung Zichow sowie am Briester Weg.
Das jetzige Gutshaus und der Kornspeicher standen zu Otto Rostoskis Zeit, in der er in Wendemark lebte (1872 – 1879), noch nicht.
Laut Unterlagen aus dem Landeshauptarchiv in Potsdam wurde das jetzige Gutshaus 1880 erbaut, der Anbau erfolgte 1910, das Baujahr für den Kornspeicher ist mit 1903 angegeben.
Die alten Gutsställe und Scheunen sind in den vergangenen Jahren teilweise abgerissen worden oder stehen leer und sind dem Verfall preisgegeben. Nur der aus Feldsteinen errichtete Schafstall, erbaut um 1830, ist noch vorhanden. Nachdem sein Rohrdach 1945 durch Fliegerbeschuss bis auf die Feldsteingrundmauern abbrannte, baute die LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) diese Scheune in den 1960er Jahren wieder auf und nutzte diese als Jungviehstall. Heute gehört sie der AHV (Agrar Handels- & Verwaltungsgesellschaft mbH), Nachfolgerin der LPG, und wird zur Unterbringung der Technik genutzt. Wir haben aber in der Scheune auch schon tolle Feste gefeiert, 2002 das 1. Wendemarker Heimatfest und 2006 den 275. Geburtstag von Wendemark.
Störche haben seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch wieder auf dem Nachbargrundstück der Scheune ihr Nest gebaut, kommen auch jedes Jahr wieder. Aber seit einigen Jahren brüten sie keine Jungen mehr aus.
Die neue Schule, mit deren Bau 1882 begonnen wurde, wurde nur bis 1970 als Schule genutzt, von dem Jahr an besuchten alle Wendemarker Schüler die Schule in Passow. Das ehemalige Schulgebäude wird heute von der Familie H. bewohnt. Das von Rostoski beschriebene Schulgebäude, heute Lindenallee 37/38, bewohnen die Familie T. und die Familie M. . Der Bahnhof ist in einem jämmerlichen Zustand, ohne Bewohner, ohne Gaststätte und Toilette, und wird nur noch als Haltepunkt genutzt. Er wurde von Menschen, die die keinen Sinn und Verstand haben, nur ausgestattet mit sinnloser Zerstörungswut, in einen erbärmlichen Zustand versetzt.
Milch wird in Wendemark nicht mehr produziert, die 1904 gebaute Pflasterstraße vom alten Gutskern in Richtung Bahnhof ist immer noch in einem erträglichem Zustand. Gegenwärtig laufen aber Planungen, diese Straße durch einen 3 m breiten Radweg zu ersetzen. Das ist auch ein Schildbürgerstreich.
Unser Dorf vom Dorfausgang in Richtung Zichow bis Dorfausgang in Richtung Briest fast vier Kilometer lang. In Wendemark gibt es 2012 die Firma TERRA, die sich mit Wege-, Terrassen- und Gartenbau beschäftigt und die Firma Tonitec, die einen Internethandel für Beschlagfachtechnik u.a. für Fenster und Türen bewtreibt. Ein privater Busunternehmer fährt mit seinen Fahrgästen im modernen Reisebus zu den schönsten Plätzen Europas.
Einige Einwohner arbeiten noch in der Landwirtschaft oder als Handwerker bei der AHV, andere sind bei Leihfirmen beschäftigt und arbeiten in der ganzen Bundesrepublik. In der Solarindustrie in Pinnow und Prenzlau sind auch einige Personen beschäftigt sowie bei Firmen, die sich mit der Altenpflege befassen. Das PCK spielt als Arbeitgeber auch noch eine Rolle. Die Jugend sucht sich Arbeit in ganz Europa, da hier die Perspektiven gering sind.
Otto reitet auf Otto
Nun genug hier oben über Gott und die Welt gegrübelt, nun gebe ich meinem Drahtesel „Otto“ die „Sporen“ und er „reitet“ mit mir über den Feldweg, der 2003 den Namen „Otto-Rostoski-Weg“ erhielt. Die Namensgebung erfolgte feierlich im Rahmen eines Treffens von Familienmitgliedern (Neffen von Otto Rostoski der Familien). Prof. Rostoski hat selbst keine eignen Nachkommen.
Vor dem Gedenkstein wurde ein Bild von Prof. Otto Rostoski angebracht, und der Weg vom Denkmal bis zur Lindenallee und dann der Weg (ehemaliger Schulberg) bis zur Chaussee (B 166) erhielt den Namen Otto-Rostoski-Weg.
Gedenkstein Rostoski, Namensgebung Weg
Große Veränderungen wird es an dem Weg, seit Otto Rostoskis Füße ihn betreten haben, nicht gegeben haben, d.h. auf den Berg hinauf wurde die Linienführung zur besseren Befahrbarkeit geändert und der Weg gepflastert, aber von der Höhe bis nach Briest ist er ein Feldweg geblieben, in dem in der Mitte Gras wächst. Auch an den Seitenrändern wachsen viele Wildkräuter. Die Fahrspuren sind sehr sandig und teilweise ausgespült. Ich muss aufpassen, dass mein Drahtesel mich nicht abwirft.
Rostoskiweg, Windpark Briest und 220 kV Leitung
Links des Weges rauscht in dem hohen Maisfeld der Wind, rechts streift er über das bearbeitete Stoppelfeld. Diese Fläche kreuzt auch eine 220 kV Hochspannungsleitung. Sie wurde 1977 in Betrieb genommen und führt von Neuenhagen nach Vierraden. Einige Vögel nutzen die Leitungen und Masten als Sitzplatz. Es war geplant, neben dieser Trasse, hier die 380-kV-Uckermarkleitung zu errichten. Nach Protesten der Einwohner und Hinweisen der Gemeinde wird die Trassenführung geändert. Dadurch erfolgt eine vollständige Umgehung des Ortes, und ein größerer Abstand zur Wohnbebauung wird erreicht. Die neue 380-kV-Uckermarkleitung wird benötigt um den erzeugten Strom der Windkraftanlagen in der Uckermark in die großen Industriegebiete zu transportieren. Wann aber mit dem Bau begonnen werden kann steht noch in den Sternen, da es weitere Einwände gegen die Trasse gibt. Besonders aus der Region Schorfheide.
Die sechs Windkraftanlagen des Windfeldes Briest schnurren vor sich hin und füllen die Kassen der „Windmüller.“ Als diese 6 Windkraftanlagen 2003 gebaut wurden, sah man beim Rundumblick am Horizont erst nur wenige Windräder, aber heute würde es einige Zeit in Anspruch nehmen wollte man alle zählen. In der Gemarkung der Gemeinde Passow sind diese sechs bisher die einzigen, geplant sind aber noch weitere.
Denk ich an meine Kindheit
Wenn ich an meine Kindheit denke (die in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stattfand) und ich diesen Weg benutzte, um auf das Feld meiner Großeltern zu gelangen, stand an der rechten Seite die Telefonleitung, wenn man sein Ohr an einen Telefonmast legte, konnte man ein leises Surren hören, das faszinierte uns Kinder. Eine Stromleitung, eine sogenannte Überlandleitung, führte über die Felder nach Wendemark und brachte ab 1922 den Wendemarkern die „Erleuchtung“.
Wenn es sehr windig war, konnte man in den letzten Jahren damit rechnen, dass es zu Stromausfällen kam, weil die maroden Leitungen rissen, und das war nicht selten. Nun sind die Leitungen alle unterirdisch verlegt, auch im Dorf, da wird durch den Wind in Wendemark nur noch ganz selten der Strom ausgeknipst.
An der Chaussee (B 166) angekommen, muss diese überquert werden, um nach Briest zu gelangen, das ist heute mit einem Fahrzeug nicht mehr möglich, denn seit dem Bau der B 166n wurde der Abzweig nach Briest abgehängt. Meinen Drahtesel kann ich aber durch den flachen Straßengraben schieben, und es geht weiter in Richtung Briest. Links mündet ein sogenannter Wirtschaftsweg ein, dieser entstand im Zuge des Straßenbaus B 166n für den landwirtschaftlichen Verkehr. Baubeginn für die B166n Ortsumgehung Passow war 2003, die Einweihung fand am 13.10.2006 statt.
Einweihung der B166 n Ortsumfahrung Passow
Ende mit der Rückschau, nun wieder zurück in die Gegenwart: In vielen Lindenbäumen an der B 166 gab es im Juli 2012 eine Raupenplage. Die Bäume wurden regelrecht entlaubt. Später erholten sie sich wieder.
Raupenplage in den Linden an der B 166
Links und rechts des Kirchweges wuchs der Mais, während das Getreide aufgrund der Sommerwitterung nur mäßige Erträge brachte, gedeiht der Mais und an ihm die „Wurst am Stengel“ prächtig. Ganz wohl war mir bei meiner Fahrt nicht, denn was wäre, wenn hier aus dem Maisfeld eine Rotte Wildscheine oder auch nur eine rasende Wildsau raus stürmen würde? Ein Hochsitz am Wegesrand lässt vermuten, dass die Jäger sich hier gute Abschussmöglichkeiten erhoffen, und gerade ein Maisfeld ist ja ein Schlaraffenland für die Schwarzkittel.
Die Spinnen hatten über dem Weg ihre Fäden gespannt, die sich unangenehm in meinem Gesicht verfingen. Ich frage mich, wie sie über so große Entfernungen ihre Fäden spannen können. Einige Pfützen musste ich umfahren, aber hier ist der Weg nicht so ausgespült wie auf der Wendemarker Seite, und noch schaffe ich das mit jugendlichem Schwung (ha, ha).
An der linken Seite des Weges hat der private Landwirtschaftsbetrieb Discher in diesem Sommer eine Putenmastanlage errichtet.
Der Kirchweg
Briest wird im Jahr 2013 725 Jahre alt.Beim Anblick der Kirche fiel mir wieder die Briester Kirchenchronik ein. Darin kann man zur Kirche folgendes lesen:
Als Zeugen der ältesten Vergangenheit von Briest und Fredersdorf ragen in unsere Zeit hinein die Kirchengebäude der beiden Orte.
Man nimmt allgemein an, dass die alten Granitkirchen der Uckermark bis 1250, also noch unter Pommerscher Herrschaft erbaut worden sind. Es seien nun kurz die beiden Kirchen beschrieben, mit Betonung dessen, was sie von den anderen Kirchen der Uckermark unterscheidet.
Der etwas niedrige Chor in Briest gibt dem Ostgiebel des Langhauses einen guten Halt. Während die hochragenden Giebel mancher anderer Kirchen gestürzt sind, hat der unsere durch seine Stütze sich gehalten. Er ist glatt ohne Blenden aufgemauert, was ebenfalls nicht bei allen Kirchen der Uckermark der Fall ist. Chor und Langhaus haben Balkendecke.
Die Vorhalle im Turm trägt eine massiv gewölbte böhmische Kappe, was in hiesiger Gegend selten ist. Die Fenster sind schlank und rundbogig. Das Westportal ist in Granit-Quadern aufgeführt mit abgetreppten Laibungen. Etwa in der Mitte der Nord- und Südwand des Langhauses befanden sich ehemals Türen, die jetzt vermauert sind, und zwar die Tür auf der Südseite im Jahre 1880, die auf der Nordseite schon früher, wahrscheinlich, als nach der Reformation die Kirche ein Gestühl erhielt. Über dem Westportal liegt ein großes Rundfenster in Granit-Quadern, was in manchen Fällen darauf hindeutet, daß ehemals im Turmraum gemäß altchristlicher Überlieferung der Taufstein aufgestellt war.
Der Turm ist mit einem Satteldach bedeckt, dessen First dieselbe Höhe hat wie der des Langhauses; doch ist der mittlere Teil des Turmes, der die Glockenstube enthält, um ein Stockwerk höher hinauf geführt, was ebenfalls eine abweichende Bauart ist. Das Turmmassiv wirkt dadurch nicht so plump wie bei andern uckermärkischen Kirchen. Dieser Aufbau ist nachträglich geschehen, was aus der andersartigen Bearbeitung der Granit-Quadern des Aufbaues deutlich wird.
Die beiden Seitenteile des Turms haben je eine Galerie mit 3 Rundbogenöffnungen, die auf Säulchen ruhen. An den Ecken sind wahrscheinlich in der Renaissancezeit 4 Fialen hinzugefügt worden. Derselben Zeit gehört an das Türmchen* auf dem Ostgiebel, in dem die Messglocke hing, die jetzt zur Taufe zusammen ruft. * (Mit sehr feinem Turmhahn von 1670 ca.)
Die beiden unteren Giebel des Turms sind aus Ziegeln hergestellt, und auch die Säulchen sind aus demselben Material. Das Geschoss unter der Glockenstube war mit einem Kugelgewölbe auf Zwickeln überdeckt. Es ist wahrscheinlich einst durchbrochen worden, um Glocken hindurch zu bekommen. Nur die Zwickeln sind jetzt noch erhalten.
Bis zum 1. Stockwerk des Turmes führt eine massive Treppe aus dreieckigen Trittstufen.
Zu erwähnen ist noch die gotische Dachkonstruktion des Chores, die offenbar uralt ist, während das Gebälk des Langhauses vielleicht von der Erneuerung der Kirche im Jahre 1630 stammt.
Die Kirche in Briest
Weitere interessante Geschichten kann man in der Briester Kirchenchronik nachlesen. Diese Chronik wurde im Auftrag des Traditionsvereines Wendemark e.V. abgeschrieben und wird 2013 zur 725-Jahrfeier der Kirche übergeben. Die Kirche biete auch heute noch den selben Anblick, aber sonst hat sich Briest zu einem schmucken kleinen Dorf entwickelt. Die alten Bauernhäuser wurden von den Bewohnern renoviert, neue Häuser kamen hinzu, und vor allen Dingen sind die Straßen sehr gut ausgebaut worden.
Auf den Dächern zahlreicher Gebäude der AHV sind Solaranlagen errichtet worden. Mit dem 9-fachen Glockenschlag der Kirchturmuhr fuhr ich bei meiner Verwandtschaft auf den Hof. Nach einer netten Plauderstunde und der Beschäftigung mit meinem fast einjährigen Großneffen wurde es Zeit für die Heimfahrt.
Auf dem Rückweg gegen 10:30 Uhr sah ich hinter dem Maisfeld eine mächtige Staubwolke, die wirbelte ein Traktor mit einem Strohhäcksler auf dem Stoppelfeld hinter dem Mais auf. Dieses Stroh wurde nicht zu Ballen gepresst, sonder gehäckselt und auf dem Feld liegengelassen. Sicherlich wird am Montag dann Gülle auf diesen Flächen ausgebracht, und wir können dann wieder den ganzen Tag den irren Duft frischer Landluft genießen.
Landwirtschaft aus vergangenen Zeiten
2012 Landwirtschaft
Dies geschieht im Zeitalter der industriellen Viehproduktion und der Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe zu Bioenergie sehr häufig. Die Duftnoten wechseln von mäßigem bis ekelerregendem Gestank. Die Schlempe, die bei der Biospriterzeugung entsteht, riecht noch relativ angenehm, die wird mehrmals im Jahr in den Randowwiesen ausgebracht. Diese wirkt sich sehr ertragssteigernd auf den Grünlandflächen aus. Aber die Duftnoten aus den Rückständen der Biogasanlagen können Tote aufwecken.
Verteilung der Schlempe
Bei meiner heutigen Tour war die Luft noch rein und mild, erwärmt vom Sonnenschein und gefüllt mit Vogelgezwitscher, die sich sicherlich untereinander über den sonntäglichen Störenfried verständigten. Für die letzte Etappe nach Wendemark nutze ich den Friedhofsgrund. Hier geht es nur bergab nach Wendemark, zum Glück in und mit Wendemark aber nicht.
Es war gut, dass ich den heutigen Vormittag für meine Spritztour genutzt hatte, denn nach meinem Mittagsschlaf, den ich mir durch meine sportliche Aktivität am Vormittag redlich verdient hatte, zeigte sich das Wetter am Nachmittag schaurig kühl und sehr windig.
Ich hoffe, dass diese Geschichte in späteren Jahren Menschen inspiriert und sich dann jemand findet, der von dieser Strecke und dem Leben in Wendemark und Umgebung einen kurzen Lagebericht gibt. So würden wir eine Berichterstattung über Jahrzehnte und mehrere Jahrhunderte erhalten.
Blick in die Zukunft
Ich hoffe ganz fest, dass die düstere Prognose aus dem Festumzug zur 275-Jahrfeier nicht eintrifft:
Die mögliche düstere Zukunft des Ortes Wendemark im Jahre 2106 wurde wie folgt dargestellt:
Ein Gespenst kam mit der Aufschrift: Ich war der letzte Wendemarker 2106, die alten Einwohner sind ausgestorben, die jungen Einwohner arbeiten im Westen Deutschlands oder leben auf anderen Planeten. Wendemark liegt wieder „wüst“ wie vor 1731.