Drahteseltour am 19.02.15 ins Welsetal in Richtung Biesenbrow
von Bärbel Würfel
Die ersten 19 Tage des Februars waren sehr angenehm, und für die Jahreszeit zu warm. Die kälteste Nachttemperatur war in der Nacht vom 05. zum 06. Februar; da sank die Temperatur bis – 11°C. Morgens um 7:00 Uhr war es sehr neblig; die Temperaturen waren wieder gestiegen, um 8:00 Uhr waren es nur noch – 8°C.
Die Sonne strahlte schon von ihrem Aufgang an über Wendemark und Umgebung; der Süd-Westwind war mäßig und die Temperatur um 12:00 Uhr bei + 4°C angenehm. Bei meiner geplanten Tour würde ich nicht so sehr ins Schwitzen geraten. Der Mittagsschlaf fiel aus, stattdessen wurde daraus eine Verdauungsfahrt. Mit frohem Mut und gut gestärkt führte mich meine heutige Tour durch den Friedhofsgrund zum Rostoskiweg. Vor zwei Tagen konnte ich am Friedhof einen Greifvogel beobachten; er hatte ein Huhn von dem Gehöft Lindenallee 8 erbeutet und war gerade beim Verspeisen. Er blieb so lange sitzen, bis ich ein Foto von ihm geschossen hatte. Dann fühlte er sich aber doch von mir bedroht und schwang sich ohne Beute in die Lüfte. Zwei weitere Hühner hatten sich in der Hecke am Friedhof verkrochen; ihnen war der Schreck noch anzusehen. Bei meiner heutigen Radtour sind nur noch ein paar Federn als Beweis des „Mordes“ zu erkennen. Wer weiß, wer sich an dem Rest des Huhnes den Hunger gestillt hat.
Der Hühnerdieb
Am Rostoskiweg angekommen, musste ich schnell wieder einen Blick über den Berg auf das im Randowtal versteckte Wendemark werfen. Dann eine Kehrtwendung und weiter über den Rostoskiweg, der 2014 als Umleitungsstrecke für den Bau des Oder-Welse-Radweges durch Wendemark ausgebessert wurde. Er wurde mit einer Recyclingschicht überzogen. In der Geschichte dieses Weges, der ja bei der Errichtung des königlichen Vorwerkes Wendemark 1731 der einzige Verbindungsweg zur heutigen B 166 war und dann weiter nach Briest führte. In alten Unterlagen wurde dieser Weg als Kirchweg bezeichnet; am 10.05.2003 wurde er zu Ehren des in Wendemark geborenen Otto Rostoski bei einem Familientreffen aller noch lebenden Familienmitglieder in Otto-Rostoski-Weg umbenannt.
So viele Autos werden in der gesamten Geschichte dieses Weges hier noch nicht lang gefahren sein, wie aufgrund dieser Baumaßnahme. Diese Umleitungsstrecke begrüße ich sehr, denn nun lernen Wendemarker Besucher unseren Ort aus einer ganz neuen Perspektive kennen.
Rostoski Weg
Die B 166 wurde überquert, und weiter ging meine Fahrt über den Landwirtschaftsweg, der im Zuge der Baumaßnahme B 166 n, Ortsumfahrung Passow 2006, entstanden ist, ins Welsetal. Auf der Kreisstraße strampelte ich den langgezogenen Berg bis zur Milchviehanlage hoch. Mein Alter macht sich doch schon bemerkbar. Vor 52 Jahren, als wir den selben Weg, nur damals noch auf einem schmalen Sandweg neben der Pflasterstraße, mit dem Fahrrad nach Briest zum Konfirmandenunterricht fahren mussten, war die Steigung wohl noch nicht so hoch. Doch mir blieb ja die Vorfreude auf die Talfahrt ins Welsetal. Die Kirche von Briest strahlte im Sonnenschein, obwohl die Luft einen leicht milchigen Schleier hatte. Der Kirchturm von Golm leuchtet ebenfalls in der Ferne in der Sonne. Die großen Ställe der Putenmastanlage verstecken sich im hügeligen Gelände.
Kirche Briest und Golm
Mein Weg führte mich nun ins Welsetal. Die würzige Landluft, die aus dem randvollem Güllebecken der Milchproduktionsanlage (MPA) aufstieg, beflügelte meinen Tritt in die Pedalen und nun geht es ab hier, zum Glück ja auch bergab und ich war schnell aus der Duftwolke verschwunden. Güllefahrzeuge verließen in kurzen Abständen die MPA; es wird aber wohl noch einige Tage dauern, bis das Güllebecken leer ist. Wenn in Wendemark die Wiesen befahrbar sind, werden wir auch wieder an einigen Tagen den „umwerfenden Landduft“ genießen können.
Volle Ladung Gülle
Gänsegeschnatter drang an mein Ohr, doch leider heute kein Kranichruf, den hörte ich in diesem Jahr schon am 13.02.2015 über Wendemark. Ich hatte auch gehofft, dass ich den Frühlingsvogel, den Kiebitz, schon entdecken würde, aber leider war das nicht der Fall. Der Holzbelag auf der Brücke über dem Schmidtgraben hat auch schon bessere Zeiten gesehen; der Zahn der Zeit nagt an ihm. Von Weitem fielen mir am Schmidtgraben schon viele weiße Stellen an den Baumstämmen ins Auge; ein sichtbares Zeichen, dass der Biber auch hier sein scharfes Gebiss angesetzt hat.
Biberspuren
Im März 2010 waren hier unten die Wiesen vom Schmidtgraben bis zum Bahndamm der Eisenbahnlinie Berlin-Stettin, die am 15.08.1843 eingeweiht wurde, überflutet und zahlreiche Wasservögel tummelten sich noch am 10. März 2010 auf der geschlossenen Eisfläche.
2010 Überschwemmung Schmidtgraben
MPA-Geschichte
Mit dem Bau der Milchproduktionsanlage (MPA) wurde 1973 begonnen; 1975 ging sie in Betrieb. Hier lieferten ca. 1930 Kühe Milch das weiße Gold; das sind heute nicht mehr so viele. Durch den Bau der MPA erlangte unsere Region einen Auftrieb.
Die MPA
Es entstanden in Passow neue Wohnblöcke, vorwiegend für die Beschäftigten der MPA und der Landwirtschaft, eine neue Schule und ein neuer Kindergarten wurden 1976 eingeweiht. Zwei zentrale Wasserwerke, eins in Wendemark und das andere in Schönermark belieferten die Gemeinden des Gemeindeverbandes Passow mit Trinkwasser, nach Briest wurde 1976 die Bitumstraße gebaut, die dann später über Golm, Fredersdorf bis nach Zichow ausgebaut wurde. Busverbindungen über diese Dörfer wurden geschaffen.
1976/77 Neubauten Passow, Fotos zur Verfügung gestellt von Herrn Dämering
Die Hochsilos, einst weithin sichtbare Erkennungszeichen, wurden im Sommer 2011 abgebaut.
Weiter führte mich mein Weg auf dem Plattenweg entlang am Schmidtgraben in Richtung Biesenbrow. Bei der zweiten Brücke über den Schmidtgraben fiel mir ein, dass sich ja hier ein Jugendlicher aus Briest vor einigen Jahren das Leben genommen hat. Er hatte sich hier an der Brücke erhängt. Er war das einzige Kind der Familie. Welche Sorgen, Ängste oder Nöte haben ihn wohl dazu getrieben und was hat er seinen Angehörigen damit angetan?
Den Kirchturm von Grünow entdeckte ich hinter den Bäumen des Parks, der das Gutshaus umgibt, und ein Zug fuhr im Schneckentempo in Richtung Stettin. Der Bahndamm durch das Welse- und Randowtal ist sehr schlecht. Der Streckenabschnitt von Passow nach Stettin soll schon lange zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werden; nur scheiterte das bisher an den notwendigen Vertragsabschlüssen zwischen Polen und Deutschland und es fehlen wohl auch die notwendigen finanziellen Mittel.
Fast jeder 3. Baum hat am Weges- und Uferrand Nagestellen vom Biber. Der Biber hat sich schon zur Plage ausgebreitet. Er fällt ja nicht nur die Bäume, sondern er errichtet in den Wasserläufen Dämme, um das Wasser anzustauen. Dadurch werden dann Äcker und Wiesen überflutet und sind für die Landwirtschaft nicht nutzbar. Da der Biber unter strengem Naturschutz steht, kann er schalten und walten, wie er will.
In der MOZ konnte man am 20.02.2015 einen Bericht unter dieser Schlagzeile lesen:
Regeln für das Leben mit Bibern – Umweltministerium stellt Millionen für Prävention in Aussicht/Manager soll Problemfälle klären
Die Rache des Bibers
Ich denke, wenn die Verfechter des Biberschutzes für die angerichteten Schäden persönlich finanziell aufkommen müssten, würde sich ihre Meinung sehr schnell ändern und der Bestand könnte reduziert werden.
So in Gedanken versunken, kam ich von einer Spurplatte ab, sackte mit dem Vorderrad in ein Loch am Rand der Spurplatte ein und hatte große Mühe, dass ich nicht stürzte. Sehr schmerzhaft war mein eiliger, wenn auch gelungener Abstieg aber doch; einige Muskeln im Oberkörper schmerzten ganz kräftig. Das wird wohl die Rache des Bibers gewesen sein; der hat bestimmt meine feindlichen Gedanken gelesen.
Drei Schwäne auf dem Schmidtgraben habe ich auch wieder zum Aufstieg überredet und ich konnte mich am wunderschönen Starterlebnis erfreuen. Mit weiteren Schrecksekunden für mich und die Enten im Graben ging die Fahrt weiter. Ihr lautstarker Start ließ mich mehrmals zusammen zucken, denn ich hatte ihnen wohl auch Angst mit meinem Erscheinen eingejagt.
Schwäne
An der Stelle, wo die Trasse der Erdgasleitung OPAL verläuft, machte ich kehrt, denn der Weg nach Hause war ja noch weit. Und da ich nun auch schon fast im metallenen Alter bin, wollte ich es auch nicht übertreiben.
Erdgasleitung Opal
Heimweg Briester Weg
Einige Erläuterungen zur Erdgasleitung Opal aus dem Internet:
Brandenburgische Geowissenschaftliche Beiträge 1/2-2011
Allgemeine Informationen zur Erdgasfernleitung OPAL
(Ostsee-Pipeline-Anbindungs-Leitung) – Abschnitt Brandenburg
General information about Brandenburgian sector of the natural gas pipeline project OPAL
Michael Höhlschen Brandenburg. geowiss. Beitr. Cottbus18 (2011), 1/2 S. 3 – 87 Abb., 1 Tab.
Die WINGAS GmbH & Co. KG (WINGAS) hat im Auftrag der OPAL NEL TRANSPORT GmbH (ONTG) und der E.ON Ruhrgas AG (E.ON Ruhrgas) die landseitige Leitungsfortführung der Ostsee-Pipeline “Nord Stream“ von Lubmin bei Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) über Groß Köris (Brandenburg) nach Olbernhau in Sachsen (Ostsee-Pipeline-Anbindungs-Leitung – OPAL) geplant und gebaut.
Die Länge der Erdgasfernleitung OPAL im Bundesland Brandenburg beträgt 272 km. Ihr Bau erfolgte in den Jahren 2009 – 2011. Im Herbst 2011 wird die Leitung in Betrieb genommen.
Im Internet fand ich bei Verivox folgende Angaben vom 13.Juli 2011 dapd
Baruth – Die 480 Kilometer lange Erdgasleitung Opal soll heute (13. Juli) offiziell fertiggestellt werden. An der Verdichterstation Radeland bei Baruth in Brandenburg wird die letzte Schweißnaht gesetzt, wie der Betreiber Wingas sagte. Das Unternehmen investierte nach eigenen Angaben eine Milliarde Euro in die Erdgas-Pipeline.
Die Erdgasleitung führt von Lubmin bei Greifswald durch Brandenburg nach Sachsen an die tschechische Grenze. Mit ihr wird russisches Erdgas aus der Ostseepipeline zu den Verbrauchern in Deutschland und Europa transportiert. Das erste sibirische Erdgas wird voraussichtlich im Herbst durch die deutsch-russische Ostseepipeline nach Europa fließen.
2.500 Beschäftigte waren den Angaben zufolge 22 Monaten lang mit den Arbeiten an der Pipeline beschäftigt. 27.000 Rohre mit einem Gewicht von jeweils 15 Tonnen wurden zusammengeschweißt und in einer Tiefe von etwa 2,50 Meter verlegt. In der Verdichterstation Radeland wird das Erdgas mit großem technischem Aufwand für den weiteren Transport Richtung Süden komprimiert.
Ich habe den Bau der Erdgasleitung OPAL in unserem Gebiet auch auf sehr vielen Bildern festgehalten.
Zum Schluss meines Berichtes über meine Drahteseltour am 19.02.15 möchte ich Sie, wenn Sie den Bericht bis hierhin gelesen haben, noch aufklären, was ich mit dem „metallenem Alter“ meinte:
Also, das metallene Alter beginnt, wenn man Silber im Haar, Gold und Amalgan im Mund, Nickel auf der Nase, Edelstahl im Ohr, Titan in den Hüften und Knien und Blei in den Füßen hat. Die ersten vier Metalle habe ich auch schon in und an mir, hoffe aber, dass die Anderen noch lange auf sich warten lassen oder gar nicht benötigt werden. So wird man mit zunehmendem Alter immer „wertvoller“.
In diesem Sinne auf zu neuen Erlebnissen mit meinem Drahtesel Otto. Am 20.02.2015 lockte mich das schöne Wetter wieder ins Randowtal und zu meiner großen Freude entdeckte ich den Kiebitz – nun ist der Frühling bestimmt nicht mehr weit. Im März werde ich dann meinen 66. Frühling erleben. Ich kann nur hoffen, dass das Lied von Udo Jürgens „Mit sechsundsechzig Jahren, da fängt das Leben an, mit sechsundsechzig Jahren, da hat man Spaß daran…“ auch für mich zutrifft.