Erlebt und aufgeschrieben von Bärbel Würfel
„Mutti, du musst doch in der heutigen Zeit ein Handy haben, du bist jeden Tag mit dem Auto unterwegs, wenn dir da mal was passiert…“, mit diesen Worten wollten mich meine Kinder von der Notwendigkeit eines Handybesitzes überzeugen.
Ich bin zwar vielen Neuerungen gegenüber sehr aufgeschlossen, aber von der Notwendigkeit eines Handys war ich noch nicht überzeugt. Wir waren ja froh, dass wir Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts überhaupt einen Telefonanschluss erhalten hatten. Mein Lebenskamerad hatte bei einem Gewinnspiel beim Radiosender Antenne Brandenburg sein erstes Handy gewonnen, weil er auf die Frage, wie die Gurkenerntemaschinen im Spreewald genannt werden, die richtige Antwort wusste. Das sind die „Gurkenflieger“.
Das Handy wurde wenig genutzt, denn die Telefonkosten waren doch ziemlich hoch und ganz dringende Fälle traten bei uns zum Glück nicht ein.
Die Kinder, vor allem die Enkelgeneration, gehen mit diesem Thema ganz anders um. Für sie ist es lebensnotwendig zu jeder Zeit und Stunde erreichbar zu sein. Viele Jugendliche besorgten sich ein Vertragshandy. Da musste das Handy nicht gekauft werden, sie tappten in die Schuldenfalle, weil sie die Telefonkosten nicht im Auge behielten und auf Teufel komm raus mit „Gott und der Welt“ wegen Belanglosigkeiten telefonierten.
Meine Kinder schenkten mir dann mal zu Weihnachten ein Handy. Das war relativ einfach zu händeln, wie es Neudeutsch wohl heißt, ich sage: „ Es war relativ einfach in der Bedienung“. Man konnte gut damit telefonieren, eine SMS konnte ich nach mehrmaligen üben auch schon verschicken, auch wenn das nur im Auslandsurlaub geschah und diese nur aus wenigen Worten bestand. Sie war auch nicht immer richtig geschrieben, aus einem „guten Rutsch“ zu Silvester wurde ein „guter Putsch“. Doch die Angehörigen übten Nachsicht, wussten aber, dass wir unser Urlaubsziel gut erreicht hatten, und das war ihnen wichtig. Wenn diese Meldung der Geheimdienst entdeckt hätte, wäre ich bestimmt unter Terrorverdacht geraten.
Eine längere SMS mit einem ausführlichen Lagebericht hätte sehr viel kostbare Urlaubszeit in Anspruch genommen.
Durch die Mehrfachbelegung einer Taste mit Buchstaben ist das doch ziemlich kompliziert für die langsam „einrostenden“ Finger und Gehirngänge älterer Menschen.
Das gesprochene Wort würde schneller über die Lippen kommen, doch dafür sind die Kosten bei einem Auslandsgespräch zu hoch und dem Anrufempfänger entstehen auch noch Kosten.
Die Gespräche dauern auch oft schon länger, weil man nicht mehr weiß, was man sagen wollte oder Worte, die eben noch da waren in den vielen Gehirngängen suchen muss. Die Suche gestaltet sich aufgrund der vielen Kalkablagerungen immer schwieriger und so schnell kann man seinen Gedanken ebenfalls nicht mehr hinterher laufen.
Da halten wir lieber unsere Zunge im Zaum und tun was für die Schwindsucht in unserem Geldbeutel.
Unsere Generation weiß noch, wie man mit kleinen Sparmaßnahmen erreicht, dass man am Monatsende nicht fragen muss: „Was tun, wenn am Ende des Geldes noch soviel Monat übrig ist?“
Ein kluger und gewiss auch sehr reicher Mann, Henry Ford, *1863 †1947, prägte diesen Satz:
„Reich wird man nicht durch das, was man verdient, sondern durch das, was man nicht ausgibt.“ Doch um als Otto Notmalverbraucher mit seiner eigenen Hände Arbeit reich zu werden, benötigt man mehr als ein Leben.
Von den großzügig angebotenen Überziehungskrediten der Banken hält unsere Generation wenig. Haben wir als gelernte DDR-Bürger doch erfahren, dass man erst sparen muss, bevor man sich einen Wunsch erfüllen kann. Für den Kauf eines Autos hatten wir ja 10 – 15 Jahre Zeit. Es gab auch nur wenig Kreditangebote. Für junge Eheleute gab es seit 1972 ein großzügiges Kreditangebot, den Ehekredit in Höhe von 5000 Mark. Den Kredit konnte man durch die Geburt von 3 Kindern innerhalb eines bestimmten Zeitraums „abarbeiten“ oder auch „abkindern“ genannt. Damit entfiel die Rückzahlung und die Geburtenrate in der DDR stieg erfreulich hoch. Wenn man ein Auto aus zweiter oder dritter Hand kaufen konnte, hatte man diesem auch schon oft ein drittes Leben eingehaucht. Doch das Auto wurde mit jedem Hauch wertvoller.
Die Jahre vergingen, die Enkelgeneration braucht nun jede Neuerscheinung auf dem Markt, die Vorgängermodelle werden an die Eltern abgegeben und diese reichen die Vorvorgänger dann weiter an ihre Eltern. Somit wird jede Generation, wenn auch zeitversetzt, ein Stück moderner.
So erhielt ich mein jetziges Handy aus 3. Hand, könnte damit fotografieren, viel schneller eine SMS versenden und viele andere Sachen machen; das funktioniert aber nur, wenn man`s kann, denn dieses Handy weicht von dem einfachen Gebrauch meines alten erheblich ab. Die alte Gebrauchsanweisung hatte ich in meinem Gedächtnis schon programmiert.
Eine neue Gebrauchsanweisung zu lesen und in die Praxis umsetzen, bereitet mir schon erhebliche Schwierigkeiten.
Ich nahm eine Aufklärungsstunde bei meinem Sohn und versuchte probeweise, eine SMS an das Handy meines neben mir sitzenden Sohnes zu verschicken. Der Text lautete: „Das Mittagessen ist gleich fertig“. Mein Sohn hatte mich bei meinem Schreibversuch beobachtet und meinte: „Na Mutti, bis du die SMS fertig hast, ist das Mittagessen schon wieder kalt.“ Er hat ja Recht, aber motiviert man so eine Proberentnerin, die sich bemüht, mit der neuen Zeit etwas Schritt zu halten.
Sicherlich kann so ein Handy sehr nützlich sein. Aber andere Sachen, wie z.B. die eigenhändige Produktion und Verarbeitung von Lebensmitteln, sind großen Teilen der Bevölkerung und besonders der jungen Generation ein Buch mit sieben Siegeln.
Meine Generation, die auf dem Land aufgewachsen ist, die weiß noch, wo die Eier herkommen, wie man ein Huhn schlachtet, ausnimmt, zubereitet und wie man die vielen Dinge des täglichen Lebens selbst anbaut und verarbeitet.
Die junge Generation verhungert, wenn die Supermärkte, Tankstellen-Shops und Mac Donalds mal ausfallen.
Eine kleine Geschichte dazu:
Die kleine Leoni bekam bei einem Besuch ihrer Oma, die in der Stadt wohnt, ein gekochtes Ei. Sie nahm das Ei in die Hand und schüttelte es, ganz erstaunt stellte sie fest: „Da ist ja gar nichts drin!“ Als sie ihre Uroma auf dem Land besuchte, schenkte ihr diese auch zwei Überraschungseier. Die wurden von Leoni tüchtig geschüttelt und dann auch gleich ausgepackt, die Oma baute das Spielzeug aus dem Ü-Ei zusammen und es konnte gespielt werden.
Die Oma zeigte ihr dann noch ein Hühnerei und die Uroma begann mit der Aufklärungsarbeit und zeigte am praktischen Beispiel den Unterschied.
Das Hühnerei wurde in einem Kompottschälchen aufgeschlagen und der Inhalt als Überraschung präsentiert. Zur weiteren Aufklärung wurde das Ei in der Pfanne gebraten und Leoni konnte es verspeisen.
Mittags gab es zum Kompott Pfirsichhälften. Als die Uroma die Kompottschalen auf den Tisch stellte, rief Leoni gleich: „Ich will aber kein Ei mehr essen!“
So ist das nun mal im Leben, die Alten lächeln über die Jungen und die Jungen lachen über die Alten.
Wir Alten verstecken uns immer öfter hinter den Worten: „Werdet ihr erst mal so alt, dann geht es euch auch so! Vielleicht erinnert ihr euch dann an meine Worte.“
Mein Vater hat immer diesen Spruch auf den Lippen:
„Die Alten ehre stets,
du bleibst nicht ewig Kind.
Sie waren, was du bist,
du wirst, was sie sind.“
Er hat Recht!
Hier noch eine kleine Episode.
Leoni hat zum 5. Geburtstag, 2012, Inlineskates bekommen. Voller Stolz berichtete sie das ihrer Oma. Die Oma erzählt ihr nun, dass sie vor einigen Jahren auch welche hatte und damit gestürzt ist, und sich dabei tüchtig verletzt hatte. Danach hat sie sie wieder verschenkt.
Leoni sagte nun: „Oma kauf dir doch wieder welche und ich zeige dir dann, wie man richtig damit fährt.“ Die Oma meinte darauf: „Ich bin jetzt schon zu alt dafür, ich bin ja schon eine Oma“. Leoni entgegnete: „Aber Oma, wenn du noch ein richtiger Mensch wärst und keine Oma, dann könnte ich dir das lernen.“
Ja, ja, so spielt das Leben. Trotzdem verzage ich nicht, und ich denke oft, meine Mutter war in meinem Alter schon viel älter.
Und was meinen Sie, liebe Leser?
Etwas zu schmunzeln fällt mit da gerade noch ein:
Enkel und Opa unterhalten sich:
Enkel: „Opa, warum heißen die Milchzähne – Milchzähne?“
Opa: „Die kleinen Kinder trinken noch viel Milch, deshalb heißen die ersten Zähne, Milchzähne.“
Enkel: „Opa heißen Deine Zähne dann Bierzähne, weil Du soviel Bier trinkst und Omas Zähne Schwimmzähne, weil sie nachts immer im Wasserglas schwimmen?“
Opa hatte es die Sprache verschlagen, er wusste keine bessere Antwort, auf die logischen Schlussfolgerungen seines Enkels.